Lange war es uns ein Anliegen, einen Loriot Film in der Serienrepublik zu besprechen. Endlich hat es geklappt, auch wieder Dank eines kleinen Anstoßes des großen Podcastpropagandaministers Klaus Backhaus bei Twitter. Gemeinsam mit Gregor vom “Dinge von Interesse“-Podcast haben wir uns Pappa ante portas intensiv angeschaut. Soviel sei vorab verraten: Der Film ist hervorragend gealtert und man schmunzelt nahezu durchgehend über die vielen delikaten Szenen die man erschreckenderweise irgendwo aus dem eigenen Leben wiedererkennt oder unbewusst in der Popkultur bereits wahrgenommen hat.
Daher vorab eine kleine Warnung, wir konnten diese Besprechung nicht in der gewohnten Ernsthaftigkeit durchführen, dazu hatten wir einfach zu viel Spaß am Material. Aber ist das nicht auch ein gutes Zeichen? Wir können Pappa ante portas nur empfehlen, jeder sollte diesen Film mal gesehen haben und wir hoffen, der Podcast macht euch Lust darauf. Viel Spaß!
Freut euch Familie, der Papa ist jetzt zuhause
Wer kennt das nicht
Kindheit in den 80er/90er Jahren. Der Papa geht zur Arbeit, die Mama kümmert sich um Heim und Haus, der Sohn geht seinen eigenen Interessen nach. Das größte Problem mit dem man sich auseinander setzen muss ist lediglich der stets nur zur Hälfte zu sehende Hund der sich durch Schwanzwedeln und im-Weg-Herumliegen auszeichnet.
Man war doch bisher “sehr gemütlich verheiratet” fasst es Evelyn Hamann gut zusammen, als das heile Konstrukt auseinander zu brechen droht. Denn Ehemann Heinrich wird aufgrund einer grotesken Kopierpapiermaterialbestellung von seinem Arbeitgeber in den Vorruhestand versetzt.
50.000 Packungen Kopierpapier und die dazu passenden Radiergummis.
Die Hinführung
Der Arbeitsalltag von Heinrich ist voller Situationen, die wohl viele aus ihrem eigenen Berufsalltag erkennen kann. Man grüßt sich auf dem Gang, weiss nicht immer den Namen des Gegenüber, man wird von Redseeligen Kollegen aufgehalten wenn man grad gar keine Zeit hat, Floskeln und verkrustete Strukturen beherrschen das gemeinsame Tagwerk.
Loriot führt es pointiert auf die Spitze speziell auch bei seinem Kündigungsgespräch mit seinem Chef, dem Herrn Generaldirektor der Röhrenfabrik. Das Gespräch zwischen den beiden ist herrlich. Teils mit seltsam verdrehten Rollen, unangemessener Respekteinforderung, gestelzter Höflichkeit. Es ist eine surreale Situation, einfach lustig.
Der Senf ist da. Gott sei dank.
Meine Name ist Lohse, ich kaufe hier ein
Zuhause ist es mit der Ruhe vorbei, wenn der Papa plötzlich ständig da ist. Wir erleben ab diesem Zeitpunkt den Beginn einer Aneinanderreihung von Running-Gag-Elementen wie dem ständigen Kampf um die perfekte Birne Helene (es wird nie eine perfekte Birne Helene gereicht) oder die konstant wiederholende Freundinnen-Vorstellung des Sohnemanns und nicht zuletzt der stets unheilschwanger über allem schwebende 80. Geburtstag der Schwiegermutter.
Was man auch versucht um für den Papa eine Beschäftigung zu finden (er sucht sie sich fatalerweise auch selber) setzt sich die irre Bestellorgie aus dem Büro im Lebensmittelladen fort. Nach anständiger Vorstellung als Einkaufsleiter (“Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein”) 500 Gläser Senf, das ergibt einen schönen Mengenrabatt. Die Gläser können nach der erwartet entgeisterten Reaktion von Gattin Renate im Keller verstaut werden, später soll auch der Herr Papa dort in einem Modellraum einquartiert werden. Seine erschrockene und irgendwie unschuldige Frage, ob denn überall in den Kellern im Viertel pensionierte Herren einquartiert sind, bewahrt ihn vor diesem Schicksal.
Kohlrabi. Gedünsteter Kohlrabi. Mit Fischstäbchen.
Zwischendurch klingeln Wurzelbürstenverkäufer die mit dem nahenden Weltuntergang völlig abstrus auf Zeugen-Jehovas-Manier ihr Produkt an den Mann bringen wollen. Natürlich mit Erfolg bei Herrn Lohse, auch wenn der Weltuntergang gerade ungelegen kommt. Aber: “Hauptsache wir haben Wurzelbürsten, Senf und Badezusatz”.
“Da war ich schon mal”
Gregor erkennt ein Phänomen, die Kulissen sind meist sehr prototypisch gewählt, sei es das Restaurant, der Buchladen, das Geschäft. Man hat die ganze Zeit das Gefühl, “da war ich schon mal”. Ausstaffiert mit Personen die immer sehr gut dort hinein passen. Stellenweise farblich stark beunruhigend, wie das komplett in weiss ausgestattete Bistro in dem auch die Gäste durchgehend weiss sind. Bis auf Herrn Lohse, der erlaubt sich allerdings während des Besuchs im Dessousladen einen kleinen Spaß mit einem dort herumliegenden Blumenhütchen.
Wie direkt aus dem Memeuniversum. Eine der zahlreichen unsterblichen Szenen: der Blumenhut.
“Wer hat Geburtstag?” – “MEINE MUTTER!”
Die Handlung führt uns gegen Ende immer näher an den unausweichlichen 80. Geburtstag der Schwiegermutter. Sie feiert auf der Seebrücke in Ahlbeck und bis Renate und Heinrich hier traut Seite an Seite sitzen erleben wir die Absurdität des erweiterten Familienlebens. Jeder hat da seine Marotten und Schrullen. Vicco von Bülow ist hier direkt in mehreren Rollen gleichzeitig zu erleben und genießen. Und mit ihm zahlreiche Größen aus der damaligen Film- und Fernsehlandschaft.
“Normal” gibt es nicht
Für uns ist das das Fazit aus dem Film. Wir sind ständig umgeben von Menschen die alle nicht perfekt sind. Jeder hat so seine speziellen Angewohnheiten und auch wenn manches nach außen perfekt aussieht, hinter den Gardinen kann es ganz anders aussehen. Wenn man sich dessen bewusst ist und den alltäglichen Situationen des Lebens mit Augenzwinkern begegnet, lebt man besser.
Finale
Aus dem Cast verlinkt/geklärt
Gerrit Schmidt-Foss ist die Deutsche Stimme von Leonardo di Caprio und hat bisher nur eine Gastrolle bei den Drei Fragezeichen gesprochen.
Vom Guten kann die Welt nie genug haben. In diesem Sinne MUSSTE es eine Neuauflage des Käfig voller Narren (im Original: La cage aux folles) geben. Hochkarätigst besetzt mit Robin Wiliams in der Rolle des Armand, Nathan Lane als Albert oder auch Gene Hackman als Senator Kiley kann man sich ein US-amerikanisches Remake eines gnadenlos komischen französischen Bühnenstücks aber sehr gut anschauen. Als “The Birdcage” handelt der Film von der geplanten Hochzeit eines jungen Mannes (Val) mit einer Senatorentochter aus extrem konservativem Haus. Dumm nur, dass der Bräutigam in Spe von seinem Vater Armand und dessen Lebensgefährten Albert groß gezogen wurde und das dazugehörige Ambiente der alternativen Familienform nun alles andere als konservativ genannt werden kann.
Nathan Lane als Albert
Hektik und Panik bricht aus, bei der Vorbereitung des anstehenden Besuchs. Die Wohnung von Vals Eltern muss konservativisiert werden, oder zumindest so hergerichtet werden, wie sich Hausboy Agador und seine Helfer ein konservatives Umfeld vorstellen. (übergroßes Holzkreuz, gothische Stühle ..). Es kommt zu Dramen, denn Albert erleidet, da er immer wieder an den Rand der Planungen gedrängt wird den ein- oder anderen Schwächeanfall so dass Armand gleich an mehrere Fronten dafür sorgen muss, dass alles gut geht.
Was denkt die Serienrepublik?
Gene Hackman als Senator Kevin Keley
Bevor wir so richtig einsteigen berichtet Tobi von seiner Kreuzfahrt und stellt klar, dass es wohl doch nicht so leicht ist wie in unserem Traumschiffpodcast vermutet, an die Handynummer des Kreuzfahrtkapitäns heranzukommen.
Zu Birdcage: Der Film ist Komödie, aber keine billige Comedy. Eine wunderbar leichte Wohltat nach dem doch schweren Stoff der letzten Sendung in der wir über eine dystopische Zukunft gesprochen haben.
Wir lieben die Darsteller in ihren Rollen, die Settings, die Kostüme und haben an mehr als einer Stelle herzhaft gelacht. Nathan Lane ist toll als Diva des Nachtclubs, Starina alias Albert,
“Ein schizophrenes Pferd in eine brennende Scheuen reiten” – Woher kommt dieser Spruch? Schreibt uns!